Alle 105 Partien im Weltcupturnier des Internationalen Weltfernschachbundes ICCF sind gespielt. 16 Monate lang im Zeitraum Februar 2020 bis Mai 2021 kämpften die Denksportler aus zahlreichen Ländern wie England, Finnland, Rumänien, Russland, der Schweiz, Slowakei, den USA usw. um die Krone und am Ende siegte ein Deutscher. Dabei hatte es lange Zeit nach einem Durchmarsch des Briten Edward N. Holland ausgesehen. Dieser spielte ein hervorragendes Turnier, das er mit fünf Siegen sowie neun Unentschieden und 9,5 Punkten beendete.
Holland schien die Konkurrenz regelrecht zu deklassieren, denn im Juli 2020 lag er mit sage und schreibe 3 Punkten Vorsprung vor dem damals Zweitplatzierten Lubomir Vrana aus der Slowakei in Führung.
Dr. Josef Stangl, promovierter Rechtswissenschaftler und begeisterter Schachspieler, der als Referenz immerhin fünf Siege in Folge bei seinen fünf Turnierauftritten auf Bundesebene vorweisen konnte, konnte mit großer Mühe gegen die erstklassige Konkurrenz zwar den Nimbus der Unbezwingbarkeit verteidigen. Allerdings musste er dabei neun Unentschieden zulassen und lag fünf Runden vor Schluss aussichtslos auf Platz 12. Mit 5 Punkten Rückstand auf Holland.
Den ersten Sieg konnte der in Röhrnbach praktizierende Rechtsanwalt gegen die Schachnation Nummer 1, Russland, einfahren. Michail Stukalov gab nach einem Mattangriff des Deutschen im 31. Zug auf und Dr. Stangl marschierte so in die Top 10 – auf Platz 8.
Rückstand auf Holland: Noch vier Punkte.
Auch Robert Kaczmarek aus den USA musste nach 59 Zügen die Überlegenheit des Juristen aus Germany anerkennen, als er ein verlorenes Damenendspiel mit zwei Minusbauern aufgab.
Damit war Dr. Stangl mit 6,5 Punkten schon in Reichweite der Medaillen – auf Platz 4. Rückstand auf Holland: Noch 3 Punkte.
Gegen Bohumir Glembek aus Tschechien schob der Waidler einen Freibauern auf die siebte Reihe vor, so dass sich dieser gezwungen sah, dafür einen Springer zu geben, was nach 43. Zügen zur Aufgabe führte. Dr. Stangl war nun bereits in den Medaillenrängen – auf Platz 2.
7,5 Punkte bedeuteten noch zwei Punkte Rückstand auf Holland.
Octavian Martis aus Rumänien wehrte sich ebenfalls lange gegen die drohende Niederlage. Dr. Stangl hatte bereits früh mit Qualitätsgewinn die Weichen auf Sieg gestellt und startete dann einen seiner gefürchteten Angriffe auf die geschwächte Königsstellung. Am Ende lag er einen ganzen Turm vorne und Martis streckte die Waffen. Platz 2 verteidigt, Silbermedaille gesichert und mit dem vierten Sieg in Folge nun mit 8,5 Punkten nur noch ein Punkt Rückstand auf Holland.
Wie es der Zufall wollte war die letzte Partie des Turniers, die 105., auch die entscheidende im Hinblick auf den Weltcupgesamtsieg. Nur mit einem vollen Punkt konnte der Abteilungsleiter Schach des SSV Jandelsbrunn noch mit dem Briten gleichziehen. Zdravko Savic aus Slowenien war der erwartet harte Brocken. Er verteidigte sich äußerst geschickt gegen die ständigen Angriffe des Deutschen, der versuchte, seinen Gegner einzuschnüren und so einen positionellen Vorteil zu erreichen.
Doch die Verteidigung des Slowenen hielt! Dr. Stangl sah sich gezwungen einen Bauern zu opfern und so einen bärenstarke Angriffsformation zu erhalten. Den Freibauern des Schwarzen blockierte Dr. Stangl geschickt mit seinem Läufer, eroberte im 60. Zug den geopferten Landwirt zurück und startete wieder einmal eine heftige Attacke am Königsflügel. Im 65. Zug lag der Doktor der Rechtswissenschaften erstmals materiell vorne. Und im 71. Zug vergrößerte er diesen noch auf zwei Mehrbauern. Diese marschierten jetzt munter auf die siebte Reihe vor, so dass Savic zwei Figuren hätte opfern müssen, um die Bauernumwandlung zu verhindern. Im 75. Zug gab Savic mit den Worten „Sehr schön gespielt“ auf und Dr. Stangl hatte seinen fünften Sieg in Folge errungen und damit ebenfalls 9,5 Punkte wie der Brite Edward Holland erreicht.
Doch, wer war nun Weltcupsieger?
Bei Punktgleichheit entscheidet beim ICCF ähnlich wie im Fussball das Torverhältnis eine Feinwertung über die Platzierungen. Hier hatte Dr. Stangl gegen einen höherwertigen Gegner gewonnen und so 62,75 Punkte erreicht. Holland hingegen hatte gegen Martis, der am Ende Vierter wurde, nur Unentschieden gespielt und daher weniger, nämlich 61,75 Punkte, erzielt.
Das Endergebnis lautet daher:
- Dr. Josef Stangl Deutschland 9,5 Punkte 5 Siege 9 Unentschieden 0 Niederlagen (62,75)
- Edward Holland England 9,5 Punkte 5 Siege 9 Unentschieden 0 Niederlagen (61,75)
- Aki Viitala Finnland 8,5 Punkte 3 Siege 11 Unentschieden 0 Niederlagen
- Octavian Martis 8 Punkte 3 Siege 10 Unentschieden 1 Niederlage
- Lubomir Vrana 8 Punkte 2 Siege 12 Unentschieden 0 Niederlagen